Wie erlebst Du Suizidgedanken?

Was für eine private Anfrage! Scherz beiseite, hat mich ja keiner drum gebeten. Ich möchte aber vor der Diskussion dieses speziellen Aspektes einer Depression ein paar Sachen anmerken, die den meisten Menschen auf den ersten Blick nicht so gegenwärtig sind.

Zuerst eine Bitte: Sagt nicht Selbstmord. Das ist moralisch wertend und in meinen Augen ein irreführender Begriff. Niemand ermordet sich selbst. Man tötet sich selbst, aber mit Mord hat das nichts zu tun. Schaut euch einfach mal die Definition von Mord an.

Sagt lieber Suizid oder Selbsttötung. Freitod ist totaler Quark, denn niemand der sich selbst tötet, tut das aus heroischen Gründen. Im Gegenteil – die meisten Menschen, die den Suizid begehen, wollen das gar nicht. Sie sind nur außerstande eine andere Lösung zu finden oder zu sehen. Der Entschluss dazu gibt einem Menschen sicher seelischen Frieden, aber dann ist ein enormer Leidensweg vorangegangen, den die meisten Menschen kaum nachvollziehen können. Ich darf aus eigener Erfahrung sagen, dass ich nicht sterben will. Aber ich habe schon oft überzeugende Gedanken in diese Richtung gehabt und bin froh, dass ich den Kampf mit diesem Gedanken gerade so gewonnen habe.

Auch sind Suizidgedanken nicht auf Depressionen abonniert. Andere psychische Erkrankungen lösen diese auch oft aus und ein gewisser Prozentsatz der Suizide wird aus anderen Gründen vorgenommen. Ich beschränke mich hier aus verständlichen Gründen nur auf die Suizidgedanken, die ich als Depressiver kenne.

2012 waren laut WHO die Suizide bei den 15-29-jährigen die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen. Ich fahre Auto, bin aber über 29. Puh, verdammt. Vom Regen in die Traufe.

Butter bei die Fische!

Gestern lag ich neben meinem Schatz im Bett. Sie war eingeschlafen und ich nicht. Das lag daran, dass mein Kopf voll war mit Gedanken. Das ist bei Grübelattacken immer so. Alle Depressiven dürften das kennen – du kommst aus den Gedankenkreisen nicht mehr raus.

Finanzielle Probleme, Ablehnungen, Schwierigkeiten im Job, Streit mit dem Partner, Freundschaften, die zerbrechen, oder einfach nur etwas, was du schaffen wolltest, was aber aus unerklärlichen Gründen mal wieder nicht funktioniert hat – all das kann so eine Grübelattacke auslösen. Wenn sie dann da ist, ist es meistens zu spät. Es fühlt sich an wie eine Spirale ins Nirgendwo.
Ich spüre die Hoffnungslosigkeit, bevor die Tränen kommen. Meine Gedanken sind wirr durcheinander gesprungen und als einzige Konstante kristallisiert sich heraus, dass ich ein Loser bin. Wertlos, ein Versager, nichts wird jemals wieder gut, ich bin unfähig irgendetwas zu schaffen, die Lage ist aussichtslos. Alleine diese Gedanken zu spüren… Ich habe den berühmten Kloß im Hals und kämpfe mit mir selber. Keinen Ton von mir geben, denn ich will sie nicht wecken. Sie würde sich Sorgen machen, mit mir weinen. Ich will nicht, dass sie unter mir leidet. Da, da ist die Schuld. Sie stapelt sich oben drauf, nun lässt sich der Strom nicht mehr aufhalten. Ich verzweifele, denn das ist der endgültige Beweis, wie hoffnungslos es ist. Egal, was ich tue – es wird nie wieder gut. Es wäre leichter, wenn ich nicht mehr da wäre. Ich könnte nichts mehr versauen, niemandem mehr zur Last fallen und müsste mir nicht mehr permanent diese sinnlosen Gedanken machen. Jetzt eine Pistole in Händen halten, den Lauf an die Schläfe halten und abdrücken. Meine Finger ahmen die Pistole nach, für eine Sekunde lasse ich sie an meinem Kopf ruhen.

Dann fallen sie herab und ich verzweifle daran, dass nichts mehr geht. Ich fühle mich jämmerlich, dass ich überhaupt daran denke, ich fühle mich jämmerlich, weil ich es nicht fertig bringe, ich fühle mich jämmerlich, egal wie. Ich weiß, dass das keine Lösung ist und die Erkenntnis lässt mich erneut völlig verzweifeln. Tränen, Verzweiflung, Gedankenwirbel, Tränen, Wertlosigkeit, Tränen, Gedankenfragmente, nicht auffallen. Sei leise dabei. Weine für dich selbst. Sei nicht so ein Jammerlappen. Loser. Tränen. Rinse and repeat.

Ich möchte einfach nur sterben, weg sein, Frieden, ruhe. Ich will nicht, dass sie das hier lesen wird – aber das wird sie. Sie wird mit mir fühlen, sie wird mich ansehen, meinen Arm drücken, oder mich umarmen. Sie wird all das tun, und ich werde mich gut fühlen, geborgen, gehalten und beschützt. Aber ich werde mich auch elendig fühlen, dass ich ihr das überhaupt zumute. Vielleicht lege ich noch einmal eine Runde Gedankenkarussell ein, fühle mich wertlos und verzweifelt und überlege, wie ich möglichst schnell und sauber aus dieser „Lebens“ Sache rauskomme.

Vielleicht schreibe ich mal auf, wie sich die zwei schlimmsten Wochen meines Lebens angefühlt haben. Das hier jedenfalls war bedrückend, aber ich habe Härteres überlebt. Ich will nicht verherrlichend wirken, aber jeder, der so intensiv mit dem Gedanken gespielt hat sich das Leben zu nehmen, der ist ein Überlebender. Wenn ich sonst nichts geschafft habe in meinem Leben – ich habe all das überlebt. Ich bin immer noch hier. Du kannst mich mal, du Wichser namens Depression.

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