(Aus)klammern oder INT(egrieren)?

Ich habe lange mit mir gerungen. Darum, ob ich diesen Artikel verfasse, oder lieber nicht. Um es kurz zu halten – es gibt viele Gründe so etwas nicht zu schreiben und zu veröffentlichen. Aber es gibt eine Handvoll Gründe es dennoch zu wagen. Ich spucke den Sorgen ins Gesicht und mache es trotzdem. Auf meine übliche, unsensible, direkte und rücksichtslose Art.

Intelligenz

Es gibt kaum ein Attribut, was so wertstabil geblieben ist, seitdem es eingeführt wurde. Scheiß doch auf Mut, Integrität, Treue, Wertschätzung, Demut, Bescheidenheit, Fairness, Menschlichkeit etc. Die Liste ist lang, ich muss sie dir nicht herunter beten.
Was mich oft irritiert ist, dass nur scheinbar positive Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Flexibilität, Loyalität, Dynamik oder Ehrgeiz eine stets dominante Rolle spielen. Liegt vielleicht nur daran, dass andere Eigenschaften in Stellenausschreibungen selten gefordert werden. Aber es besteht die Möglichkeit, dass ich einfach nur ein Zyniker bin.
Sei es drum – zurück zur Intelligenz. Das ist für die meisten Menschen scheinbar ein unklares, fast geheimnisumwittertes, aber praktischerweise oft als schwammig empfundenes Konstrukt, welches sich trefflich in viele verschiedene Richtungen biegen lässt. So gilt als außerordentlich intelligent, wer die Uni besucht. Entwarnung – ich war da und dem ist beileibe nicht so. Manchmal erscheint der Typ neben dir am Stammtisch echt intelligent, weil er es schafft mit zwei Frauen parallel eine Beziehung zu führen, ohne erwischt zu werden.
Ich Ketzer.

Dabei ist Intelligenz eine durchaus wenig schwammige Größe, die wissenschaftlich nicht nur vielseitig definiert, sondern jeweils statistisch erforscht und beschrieben ist. (Und ich bin mir der Kritik am Intelligenzbegriff durchaus bewusst, danke. Lass uns annehmen, dass ich hier offensichtlich von der kognitiven Leistungsfähigkeit rede.) Intelligenz ist aber eines dieser psychologischen Phänomene, die populärwissenschaftlich breit getreten wurde (woran erst mal gar nichts schlimm ist). Doch dann hat sich der Begriff im Laienmund verselbstständigt. So wie Freud, oder Ödipus/Elektra-Komplex, oder Quantensprung etc. Du kennst sicher noch mehr gute Beispiele.
Das bedeutet, dass jeder ein bisschen was weiß, aber nichts wirklich, oder in den falschen Zusammenhängen. Und wenn jemand mit ein wenig mehr Ahnung kommt und anfängt davon zu erzählen, ergänzen viele Menschen den Rest falsch aufgrund ihrer eigenen Ansichten.

Intelligenz beschreibt im Grunde genommen, die kognitive Fähigkeit effizient zu denken oder höhere mentale Prozesse zu bewältigen (Problemlösung, Entscheidungsfähigkeit, Abstraktionsfähigkeit, Wahrnehmung, Erinnern, Lernen, Aufmerksamkeit, Selbstreflexion etc.). Das macht dich nicht zu einem besseren Menschen, oder zu einem Schlechteren. Das macht dich lediglich zu einem Menschen, der besonders effizient denken kann. Ich gehe nicht auf fluide Intelligenz, kristalline Intelligenz, mathematische Intelligenz, sprachliche Intelligenz oder die (ich denke zu Recht) höchst umstrittene soziale/emotionale Intelligenz ein. Das sind genügend Stichworte, um sich selbst schlau zu lesen. Entscheidend ist – Intelligenz ist so etwas wie eine Schuhgröße, Augenfarbe oder Hautfarbe.
Du hast diesen Wert, ob du willst oder nicht. Du suchst es dir nicht selbst aus und du kannst es kaum, oder gar nicht verändern. Und der IQ beschreibt nicht automatisch, wie erfolgreich du sein wirst oder wie genial.

Mein Problem

Ja, fragst du dich zu Recht. Was will er denn nun?
Erklären, dass Intelligenz ein oft missverständlich gebrauchtes Wort ist, mit oft falschen Vorurteilen und Ängsten behaftet. Der sogenannte IQ (Intelligenzquotient) hat nicht unwesentlich dazu beigetragen. Plötzlich gab es da einen Wert, an dem man gemessen wurde (nicht zwingend, aber gefühlt immer wird – oder?). Man kann unterdurchschnittlich (geht GAR nicht), durchschnittlich (wer will das schon?), oder überdurchschnittlich intelligent sein (Statistiker scherzen, dass sich 80% der Bevölkerung in diese Kategorie einordnet).
Meine total subtilen Klammerbemerkungen legen offen, wo sich absolut niemand einordnet. Oder anders – alle halten sich für überdurchschnittlich intelligent. Verständlich, denn aus irgendeinem (mir nicht bekannten) Grund hängt indirekt an diesem Wert das Selbstwertgefühl. Selbst wenn man den eigenen IQ gar nicht kennt, sondern (wie die allermeisten Menschen auf dieser Welt) ihn nur ungefähr abschätzen kann.
Pfiffige Zeitgenossen weisen an dieser Stelle darauf hin, dass das aber gar nicht so einfach ist, da der IQ nicht selbstevident ist. Wenn du nicht weißt, welchen Wert jemand anderes hat, du deinen eigenen Wert nicht kennst – ja, wie zum Geier willst du dich da korrekt einschätzen?

Witziges Gedankenspiel:
Du bist in einem Raum mit hundert anderen Leuten, die sich alle dämlicher verhalten, als du selbst. Du bist im Recht, wenn du dich für intelligenter hältst – aber für wie VIEL intelligenter? Und wie liest du den genauen Wert daran ab? Was, wenn alle im Raum 80 haben? Du würdest dich mit 90 schon wesentlich klüger finden – wärst aber trotzdem unterdurchschnittlich intelligent.
Spürst du ein unbehagliches Gefühl beim Lesen? Nimmt das gefühlt eine bedrohliche Richtung? Das ist dieses Problem, von dem ich spreche – trotzdem ich nur ein paar sachliche Aussagen treffe, fühlt sich dein Selbstwert angesprochen, vielleicht sogar bedroht. Sagt der mir jetzt, wie doof ich bin? Ich habe vorhin ein paar Begriffe gegoogled, bin ich dumm?
Nein, tue ich nicht. Nein, du bist dann nicht dumm. Wenn überhaupt wärst du weniger gebildet – aber Wissen hat mit Intelligenz erst mal nichts zu tun. Und ich schweife nur so aus, weil ich etwas von mir offenbaren will. Es geht nicht um dich. Weil ich dich und mich darauf vorbereite, was möglicherweise passiert. Dass du mich für arrogant hältst, oder für jemanden, der sich für was Besseres hält, oder überhaupt die ekelhafteste, eingebildete Person der Welt ist.

Mein IQ liegt bei über 130. Wissenschaftlich geprüft und verbrieft. Und ich bin Mitglied bei Mensa, was man nur mit einem solchen IQ wird.

Die Skala

Das war ein Schock. Für dich auch? Obwohl ich wusste, dass ich es schreiben würde, fühle ich mich wie auf dem Präsentierteller, bereit als arroganter Fatzke abgestempelt und verachtet zu werden.

70 und drunter gilt als Intelligenzminderung, bzw. geistige Behinderung. (Achtung, hier gibt es mehr Faktoren, die nur im Zusammenspiel eine geistige Behinderung ausmachen!)
Hoch bis 85 gilt man als unterdurchschnittlich intelligent.
Zwischen 85 und 115 liegen 68% der Menschheit, was als durchschnittliche Intelligenz zählt (100 ist genau die Mitte).
Zwischen 115 und 130 spricht man von überdurchschnittlicher Intelligenz.
Ab 130 beginnt die sogenannte Hochbegabung. (Ich spreche lieber von hoher Intelligenz, aber das ist Definitionssache)
Ab 145 beginnt der Bereich, den z.B. der Mensatest gar nicht mehr misst, weil er kaum trennscharf erfassbar ist, weil es so verdammt wenige Leute dieses Kalibers auf dem Planeten gibt, dass man sie nicht sinnvoll miteinander vergleichen kann.
Trefft ihr mal auf so Morchel in der Disco, die euch davon erzählen, dass sie sicher einen IQ von 150 haben… nja.

Ist übrigens normal, dass die Leute über 130 den genauen Wert nicht nennen, denn er ist im Grunde kaum relevant. Klingt elitär und ist es naturgemäß auch – denn so wenig zwei Menschen mit IQ 104 und 109 auseinanderzuhalten sind, betrifft das eben auch 133 und 138.
So, und um komplett elitär zu erscheinen, bemühe ich einen hinkenden Vergleich. Oder um es präzise zu formulieren: Ich überspitze bewusst und mit einem zwinkernden Auge. Achtung, nicht so verdammt ernst gemeint.
Ein Mensch mit einem durchschnittlichen IQ von 100 ist von einer geistigen Behinderung bei 70 kognitiv so weit entfernt wie jemand mit über 130 vom Menschen mit 100. Das stimmt aus vielen Gründen so nicht, aber ich habe ja extra drauf hingewiesen.
Jetzt habe ich Kopfschmerzen.

Fazit

Ja, ich gelte als hochbegabt. Wobei ich im sprachlichen Bereich bedeutend besser abschneide, als in der Merkfähigkeit. Soweit stehe ich selbstbewusst dazu. Doch es auszusprechen, es in die Welt zu geben – das ist furchteinflößend, obwohl es das nicht sein sollte. Ich bezahle einen hohen Preis für meine kognitiven Fähigkeiten… und das ungewollt.
Ich habe eine andere Schuhgröße, als du. Ist nicht schlimm, finde ich. Ich bin halt ein wenig anders. Nur 2% der Menschheit erzielt einen derart hohen IQ. Aber dafür habe ich unter Depressionen und mangelndem Selbstwertgefühl gelitten. Ich habe ein verzerrtes Selbstbild, ordne mich nur schwer selbst korrekt ein, bin in meinem Leben oft genug der Außenseiter und habe mich vollkommen fehl am Platz gefühlt. Ich habe mich sogar für extrem dumm gehalten, weil ich offenbar nicht begriff, wieso ich so anders als der Rest war. Es ist interessant, wenn man dann endlich begreift, dass man die ganze Zeit eine völlig falsche Perspektive einnahm. Geradezu erhellend.

Doch all das macht mich nicht zu einem besseren, tolleren, wertvolleren Menschen. Es macht mich nur zu mir selbst. Zu dem, was ich halt bin. Ich habe nicht darum gebeten, ich habe nichts dazu beigetragen. Ich habe es nicht bezahlt und es wurde mir nicht geschenkt.
Da bin ich, ausgestattet mit einer ungewöhnlichen hohen Denkfähigkeit, die erst mit 42 Jahren festgestellt wurde.
Komisch, oder? Man möchte doch meinen, dass das mal jemandem aufgefallen ist. Dass mich jemand darauf angesprochen hätte. Dass jemand völlig uneitel mitteilt – hey, du bist aber echt intelligent!
Eine (in Zahlen 1) Person tat das. Deswegen bin ich dann zum Test. Surprise!
Ich klage nicht, inzwischen wird mir immer klarer, wieso das so ist. Ich finde das nur richtig… blöd. Denn ich will mir gar nicht ausmalen, was mir alles erspart geblieben wäre, wenn ich frühzeitiger darauf hingewiesen worden wäre.

In diesem Sinne hat mein Artikel nur einen einzigen Sinn – dich dafür zu sensibilisieren. Ich könnte seitenweise darüber schreiben, was wie und warum. Ein ganzes Buch mit meinen Beobachtungen zur menschlichen Natur füllen.
Aber bitte – wenn dir jemand auffällt, im Besonderen, wenn es ein Kind ist, dass offensichtlich außergewöhnlich intelligent ist, dann sag was. Sag es dem Kind, sag es den Eltern.
Das Attribut hat deswegen keinen Wertverlust erfahren, weil es für die Gesellschaft von großem Vorteil ist. Für die Zukunft unserer Art gar.
Und wenn du selbst keine Möglichkeit hast, dich objektiv mit anderen zu vergleichen, KANN es dir selbst gar nicht auffallen, wie intelligent du bist. Insbesondere nicht, wenn andere Faktoren hineinspielen, die es dir zusätzlich erschweren.
Du hast eine andere Haarfarbe, als ich. Vermutlich hast du kürzere Haare als ich (ja, auch viele Frauen). Deine Hände sind anders beschaffen, deine Stimme klingt nicht wie meine. Wir sind nicht besser oder schlechter. Wir sind nur anders. Kein Grund zur Angst.

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