Therapie – so schwer wie Goldstaub zu finden, aber auch so wertvoll?

Zuerst ein Danke an die liebe Tessa, die auf Facebook diesen Themenvorschlag gemacht hat. Ich wollte das Thema erst später bringen, wenn ich eine eigene Therapie vorzuweisen habe (in Deutschland ist man ja nix ohne Zertifikate und formell bestätigte Ausbildung). Aber ich nutze diese Gelegenheit einfach für einen Zweiteiler, also einmal vorher und einmal nachher. Vielleicht mal zwischendrin, sobald ich eine Therapie mache, die ich für interessant halte. Sollte jemand eine gute Adresse im Raum Aachen kennen, her damit. Ich suche zurzeit einen Therapieplatz. Man soll ja nichts unversucht lassen.

 

Von einem, der auszog einen Therapieplatz zu finden

Ja, ich war schon mal an dieser Stelle. Ich hatte eine schlimme Phase hinter mir, in der ich mir selbst keine Garantie gegeben hätte, nur weitere zwei Stunden zu leben. Ein wenig grotesk, das so unaufgeregt mitteilen zu können. Mir ging es wirklich schlecht. Ich habe so etwas nie zuvor und zum Glück bisher nicht noch einmal erleben müssen. Ich war am Ende der Fahnenstange angekommen. Ich war derart verzweifelt, dass ich zu meiner Ärztin bin und mit ihr darüber geredet habe. Zu meinem Glück ist meine Ärztin in Bremen ein echter Glücksfall, ein regelrechtes Goldstück unter den Hausärzten. Sie gehört nicht zu denen, die die selten dümmliche Frage stellen „Und, wie lange sind wir denn krank?“, sondern die sich ein eigenes Bild macht und dann helfend zur Seite steht. Danke, Frau von Rolbicki.

Sie gab mir Nummern und half mir mit meiner Medikation. Ich habe mich dann auf die Suche gemacht und genau das am eigenen Leib erfahren, was Tessa mit ihrem Themenvorschlag provokant gefragt hat – so selten wie Goldstaub? Zur Erinnerung: Ich war zu diesem Zeitpunkt akut selbstmordgefährdet. Das ich nicht durchgezogen habe, was ich mir so alles vorstellte, hängt vermutlich mit meiner schier unendlichen Sturheit zusammen. Gut, meine Freundin verflucht die von Zeit zu Zeit, aber manchmal ist sie hilfreich. Klingt das hier so selbstlobend? Glaubt mir, ich hatte großes Glück, dass ich mir nicht das Leben genommen habe.

Nach zwölf (in arabischen Zahlen 12) Versuchen einen Therapieplatz bei einem Therapeuten zu bekommen, hatte ich langsam die Nase voll. Es war ein ungünstiger Zeitpunkt im Januar, aber die Aussage „Wir sind momentan voll mit den Winterdepressiven“ jedes(!) Mal zu hören war zu viel. Ich habe in diesen Wochen nichts als Verachtung für Winterdepressive empfunden, da bin ich ehrlich. Zu Unrecht, aber in der Situation unerträglich. Du hast ein akutes Problem und dir wird nicht geholfen. Es gibt keine Stelle, die dir genau dann weiterhilft, oder ich war zu blöde die zu finden. Nach mehreren Wochen hatte ich die Nase fast voll, die Phase war schon vorüber und ich kam wieder alleine klar. Da fand ich im Klinikum Bremen Ost ein Angebot, stationär aufgenommen zu werden, für mindestens sechs Wochen. Das war mir dann aber doch zu heftig und ich hatte Gruselschauer wegen der Musiktherapie, die dabei gewesen wäre. Musiktherapie kann ich selber. Licht aus, Nine Inch Nails, Tool oder was anderes mit Druck rein, paar Stunden später geht es wieder.

Also lehnte ich das dankend ab, denn mein Leidensdruck war nicht mehr hoch genug dafür und ich wusste nicht, wie sich das mit meiner Arbeit, auf die ich angewiesen war, vertragen würde. Immer dran denken, ich suche die Schuld in der Regel prophylaktisch bei mir selber. Dumm und hinderlich, aber eben eine Tatsache meiner verdrehten Selbstwahrnehmung. Ich hatte dann eine Stippvisite im psychoanalytischen Institut in Bremen, wo ich ein Interview hatte. Die suchen dir dann einen passenden Therapeuten aus. Leider hat das mehrere Monate gedauert, so dass ich nur einen Vorschlag ausgetestet habe. Dieser war aber von derart magerer Qualität, dass ich danach endgültig die Lust verloren hatte. Der Therapeut war langsam – ich meine nicht im Reden, damit kann ich um. Er war zu langsam für mich. Er mag anderen das Gefühl des Vertrauens geben, aber wenn ich einen Therapeuten nicht ernst nehmen kann, dann nutzt der nix. Eine Therapie kann grundsätzlich nur dann einen Erfolg zeitigen, wenn der zu therapierende Patient mitmachen will. Ich brauche jemanden, der mich ausmanövrieren kann. Jemanden, der nicht nur mit mir mithalten kann, sondern dazu in der Lage ist mich zu verdutzen, mir meine Fehler so klar vor Gesicht zu halten, dass ich nicht mehr drum herum reden kann. Ich brauche jemanden, der mir wieder Demut vor meinem Gesprächspartner einbläut. Das war er leider nicht.

Needless to say – ich habe es dann drangegeben. In meiner ewigen Selbstherrlichkeit habe ich dann beschlossen, dass ich weiterhin alleine klarkommen werde. Das funktioniert in der Regel eine ganze Weile, bis es nicht mehr funktioniert. Applaus, Daniel.

Inzwischen bin ich wieder soweit, dass ich es für eine gute Idee halte mir einen Therapieplatz zu suchen. Momentan schlafe ich oft nur einen Teil der Nacht. Aber diesmal war ich von Anfang an gewappnet, dass es verdammt schwer werden wird jemanden zu finden. Nicht nur, weil schon wieder Winter ist, sondern weil dann die raren Therapeuten so lange durchprobiert werden müssen, bis ich jemanden finde, der mir genug Kontra bieten kann. Wieso das für mich wichtig ist? Weil ich nicht zu der „gerade passiert und festgestellt“ Sorte gehöre. Meine Depression hatte Jahrzehnte Zeit, sich aufzustellen, Verteidigungsmechanismen zu platzieren und mich Glauben zu machen, dass sie Teil meiner Persönlichkeit ist. Ich glaube nicht, dass ein Therapieversuch eine witzige Angelegenheit für mich und meinen Therapeuten wird.

Ist es denn nun sinnloses Gelaber, oder wertvoll?

Diese Frage hat Tessa gestellt und ich will meine Sicht dazu gerne äußern. Ja, ich halte eine Therapie, eine psychoanalytische oder eine kognitive Verhaltenstherapie für sinnvoll. Sonst hätte ich damals nicht einmal einen Versuch gestartet.

Zuallererst muss man sich die Frage ehrlich selbst beantworten, ob man das für sich selbst überhaupt machen will. Wie ich erwähnte, kann eine Therapie nur funktionieren, wenn der Patient es selbst will. Therapeuten sind keine Wunderheiler und du kannst nicht einfach eine Globuli schlucken und glauben, dass alles schick ist. Eine Therapie wird für dich immer ein langwieriger, schmerzhafter und anstrengender Prozess sein. Wenn du nicht bereit bist, würde ich dir stark abraten. Sonst verschlimmert sich deine Lage. Und Todeswunsch ist gegenüber „Es geht gerade noch so“ definitiv eine Verschlechterung.

Dann stellt sich die Frage, ob du besser mit einer Therapie bedient bist, die dir Regeln und Aktivitäten an die Hand gibt, dir zeigt, wie du ein besseres Verhalten deiner Krankheit gegenüber an den Tag legen kannst, wie du achtsamer sein kannst. Wenn ja, dann ist die kognitive Verhaltenstherapie vermutlich eher dein Freund. Nicht, dass die psychoanalytische Therapie nicht auch solche Optionen birgt, aber der Fokus liegt dort eher auf den unbewussten inneren Konflikten, die in der Kindheit entstanden sind. Kein Wunder, dass ich eher mit Letzterer liebäugele, hm?

Wenn du weißt, welche Therapieform für dich richtig erscheint, wirst du Sitzfleisch haben müssen. Du bekommst Termine und lernst einen Therapeuten erst einmal kennen, es gibt keine langfristige Bindung von Anfang an. Wenn du feststellst, dass du kein Vertrauen zu deinem Arzt findest, oder dir erscheint das Ganze als nicht erfolgversprechend, gehst du einfach. Ab zum nächsten Therapeuten. Im Ersteren Fall solltest du meiner Ansicht nach gehen, im zweiten Fall die Po-Bäckchen zusammenkneifen und es einfach probieren. Wer hier aufmerksam liest, wird verstanden haben, dass ich seit einiger Zeit versuche jegliche Form von Angst über Bord zu werfen. Ich halte es auf lange Sicht für besser die Schultern auszufahren, den Rücken gerade zu machen und dann mit offenen Augen durch die Probleme durch zu gehen. Nicht ausweichen, nicht weglaufen – durchmarschieren. Wenn das Problem nicht weicht – dann renne es über den Haufen. Ich möchte hier wärmstens empfehlen, das einmal zu probieren – die Resultate sind weniger einschüchternd und wesentlich erfolgreicher, als ich anfangs angenommen habe. Das hilft sicher auch vielen Nicht-Depressiven im Alltag.

Wenn du diese Voraussetzungen hast – dann lohnt sich eine Therapie auf jeden Fall und ich würde immer dazu bestärken. Aber sei ehrlich! Wenn du nicht willst, wenn du am Therapeuten oder der Therapie zweifelst, dann überdenke gut, was du dir zumutest. Wenn es zu viel ist, dann droht der Abgrund. Wenn du weißt, was ich mit Abgrund meine, dann verstehen wir uns hier richtig. Ich habe Menschen kennengelernt, die eine erfolgreiche Therapie hinter sich haben – und ich konnte an diesen Menschen erkennen, dass es sich lohnt!

 

Dein Hautloser

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