Du wachst auf, es ist zwischen drei und vier Uhr in der Nacht. Inzwischen kennst du die Grauschattierungen recht gut und kannst ausmachen, wie viel Schlaf dir diese Nacht vergönnt war. Du bist jetzt wach und an den Rändern deines Bewusstseins dämmert die Erkenntnis, dass du so schnell nicht wieder einschlafen wirst. Du versuchst es trotzdem.
Ein paar Minuten später liegt dir der bittere Geschmack des Triumphs auf der Zunge, du wusstest es ja, hast Recht behalten. Gut – das sind die Augenblicke, in denen du schnell Gegenmaßnahmen erg… zu spät. Aus der Mitte deines Körpers breitet sich ein flaues Gefühl aus. Dein Jäger ist hier. Er hat dir eine taktische Falle gestellt. Die Flanken sind besetzt und seinen Mittelkeil treibt er direkt auf dich zu. Auf dich und deine Barrikaden, die du in einem jämmerlichen Versuch probierst aufzustellen. Das erste Donnern den Kanonen wischt die erste Maßnahme (nochmal auf die Seite drehen) gnadenlos zur Seite. Trümmer und Erde spritzen hoch und vernebeln dir die Sicht.
Das Stampfen der Soldaten klingt furchterregend, und folgerichtig fängst du an zu schwitzen, weil du die Prozedur kennst. Du wehrst dich verzweifelt, kneifst die Augen zusammen, versuchst, ruhig zu atmen, um den Schlaf aufs eindringlichste einzuladen. Komm doch endlich, du Bastard, rette mich!
Keine Chance. Dein Puls geht schneller und etwas Eisernes hat sich auf deinen Brustkorb gesetzt. Du sitzt endgültig in der Falle. Wenn es gut läuft, ist er in einer halben Stunde mit dir fertig. Wenn nicht, dann hast du jetzt zwischen einer und drei Stunden vor dir. Länger hältst du es nicht aus. Also ergibst du dich, oder setzt du dich weiter zur Wehr?
Aufgeben treibt dir die Tränen in die Augen, aber wenn du dich wehrst, wird der Feind dir die Tränen in die Augen treiben. Scheiß Ironie des Schicksals, dass es in beiden Fällen du selbst bist. Zwischen diesen Alternativen gefangen beginnt das Spiel gegen dich selbst. Wer zuckt zuerst? Du führst jetzt Krieg gegen dich selbst und es gibt nur einen Verlierer. Es ist aussichtslos, das ist dir klar, denn du wirst dir selbst die weiße Flagge nicht zeigen können. Leeeegt an!
Vor deinem inneren Auge siehst du den Lauf der Pistole. Alles spielt sich in HFR in 48 FPS ab. Zu realistisch gleitet das gebürstete Metall gewaltig am Auge vorbei, dreht sich geschmeidig zur Schläfe. Der Schlitten zuckt zurück und alles ist vorbei. Es ist ein kehlzuschnürendes Schauspiel, denn es wird nicht bis zum Ende geführt. Es wiederholt sich, weil du es gar nicht willst. Aber es will sich durchsetzen, nochmal alles auf Anfang und Los geht es. Viermal… zehnmal… irgendwann zählst du nicht mehr. Deine Hände spielen als Statisten schon längst mit und du willst einfach nur, dass es vorbei ist.
Morgens wachst du auf und egal wie lange du danach geschlafen hast, es war nicht lange genug. Du bist gerädert, deine Laune ist in Watte gepackt und du wirst gefragt, was los ist. Alles in Ordnung? Du siehst nicht so gut aus. Dir geht es auch nicht so gut. Du sagst: Passt schon. Du meinst: Erschieß mich.