Daniel erklärt die Welt – Die ersten Schritte zum besseren Lügner

Werde ein besserer Lügner. Schütze dich und andere. Betrüge, überzeuge, hilf, erniedrige, verstecke und sei größenwahnsinnig. Ich kann für dich nicht entscheiden, zu welchem Zweck du eine Lüge benutzt. Aber ich kann dir dabei helfen ein besserer Lügner zu werden. Ich kann dir aber keine Schritt für Schritt Anleitung präsentieren, oder dir die viele Arbeit abnehmen, die in diesem Lernvorgang steckt. Deswegen musst du diesen Leitfaden auch als solchen verstehen. Ich werde dir keine Übungen bauen, mit denen du trainieren gehen kannst. Immerhin werde ich hier nicht bezahlt.

Falls du wissen willst, wie ich selbst zum Lügen stehe, wirst du den ersten Artikel zu dem Thema wohl oder übel einmal durchlesen müssen.

 

Zerstöre deine Welt und baue sie neu auf

Was für eine seltsame Überschrift, nicht wahr? Was sie meint, ist, dass du von Null anfängst. Du wirst in meinen Artikeln auf Dinge stoßen, die du schon wusstest, vielleicht bist du schon ein versierter Lügner und du kennst fast alle Tricks. Wenn du aber besser werden willst, dann musst du methodisch vorgehen. Du musst vergessen, was du wusstest und anfangen zu verstehen, wieso du diese Dinge wusstest. Wenn du das schon tust, ja dann kannst du aufhören zu lesen, dann kann und will ich dir nicht mehr beibringen.

Jeder von uns nimmt die Welt auf eine individuelle Art und Weise wahr. Wir sehen und hören nicht mit den Augen und Ohren, sondern mit dem Gehirn. Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, denn ich mag kein Seminar in Wahrnehmungspsychologie geben. Deine Augen sind nur ein Sensor, sie sind gespickt mit Stäbchen und Zäpfchen, die den Lichteinfall vermerken und das Ganze dann als elektrischen Impuls an den Okzipitallappen weitergeben. Von dort aus nehmen dann ein paar Areale des Gehirns an deinem Sehen teil, wichtig daran ist nur, dass du das Licht an sich, das Bild vor deinen Augen gar nicht unmittelbar sehen kannst. Dein Gehirn interpretiert die elektrischen Impulse und baut das Bild in dir drinnen erst auf. Das bedeutet, dass du nicht siehst, was du siehst. Du interpretierst, was du siehst. Dasselbe gilt für die anderen Sinne, falls du dich gefragt hast. Wieso das für einen perfekten Lügner wichtig ist? Weil du verstehen musst, dass jeder von uns auf denselben Reiz völlig unterschiedlich reagieren kann. Du musst  deine Lüge individuell anpassen können. Je mehr Menschen du gleichzeitig belügen willst, desto schwieriger ist es, glaubhaft zu bleiben.

Es mag sein, dass du der armen alten Oma glaubhaft versichern kannst, dass du an der Kasse für sie das Geld aus ihrem Portemonnaie korrekt heraus zählen willst – doch wie steht es mit den anderen Menschen in der Schlange?

Doch wie kannst du eine Lüge individuell an die verschiedenen Menschen anpassen? Ist das nicht wahnsinnig viel Arbeit? Ja, ist es. Mehr Arbeit, als es vielleicht wert ist. Deswegen sind notorische Lügner oft schlechte Lügner. Sie müssen andauernd für ihre Lügen Geschichten erfinden, sie konsistent wiedergeben können und darauf achten, wem sie was erzählt haben. Oft variieren sie dann ihre Geschichte bei drei Leuten gleich dreimal. Wenn du alle drei Varianten dann hörst, weißt du sofort Bescheid.

Die praktische Lektion, die einen guten Lügner hier ausmacht, ist: Lerne zu beobachten und zu verstehen, was du beobachtest. Wenn du nicht sicher bist, wie jemand auf welche Lüge reagiert, dann wirst du auf Dauer nicht überzeugen können. Höre genau hin, was die Menschen in deiner Nähe so von sich geben. Wann lügen sie selber? Wann schalten sie geistig ab? Wie offen sind sie gegenüber anderen Menschen? All diese Beobachtungen und mehr musst du derart genau treffen können, dass du Jahre brauchen wirst, bis du es beherrschst.

Wenn du das nie bewusst gemacht hast, dann fange besser sofort an. Ich habe sicher zwanzig Jahre gebraucht, bis ich wirklich gut war. Annehmbar bist du vielleicht nach zehn Jahren. Aber die wirst du schon erreicht haben durch normale Beobachtungen, wenn du es nicht darauf angelegt hast. Hast du hier Nachholbedarf, dann mache es gleich von Anfang an richtig. Vielleicht legst du dir eine Kartei an, in der du deine Beobachtungen festhältst. Auf jeden Fall aber musst du vor allem bei den Menschen neu anfangen zu beobachten, die du scheinbar schon gut kennst. Du wirst jeden Tag belogen, so wie du jeden Tag lügst. Du musst erneut herausfinden, welche kleinen Lügen du schon automatisch glaubst, wenn sie dir erzählt werden.

Dieser Abschnitt ist so lang, weil er so wichtig ist. Er ist absolut die Basis dazu ein besserer Lügner zu werden. Wenn dir das zu umständlich erscheint, zu viel Arbeit ist, dann versuche es lieber mit der Wahrheit. Das ist am Ende leichter und vermutlich wirst du sozial damit um einiges erfolgreicher sein. Es fühlst sich besser an und besonders in intimen Beziehungen wirst du ungeahnte Qualitäten entdecken können. Lügen ist ein riesiger Haufen Arbeit.

Lüge und Wahrheit sind keine Gegner, sondern alte Bekannte

Es ist leicht, darauf hereinzufallen, dass man die Lüge und die Wahrheit als Gegensätze wahrnimmt. Rein von der sprachlichen Definition her ist es ja korrekt. Aber im praktischen Lügenbetrieb sind die beiden eher alte Bekannte oder sogar gute Freunde. Nirgendwo versteckst du eine Lüge so gut, wie in der Wahrheit.

Eine Lüge ist das Auslassen eines Teils der Wahrheit, eine künstliche Wahrheit, oder eine Verdrehung der Wahrheit. Immer aber hat sie mit der Wahrheit zu tun. Wenn du sie erzählst, musst du die Wahrheit entweder kennen, oder sie erfinden.

Solltest du die Wahrheit kennen, so hast du einen Vorteil und einen Nachteil. Der Vorteil ist, dass du die Wahrheit ohne nachzudenken wiedergeben kannst. Bei einer Lüge musst du immer darüber nachdenken, wie die Wahrheit in ihr aussehen soll. Du solltest vor der Lüge genau überlegen, welchen Teil der Wahrheit du ohne Bedenken zusammen mit der Lüge erzählen kannst. Denke immer daran, dass es Menschen gibt, die kritisch hinterfragen, was man ihnen erzählt.

Der Nachteil ist, dass die Wahrheit sich leicht zeigt, wenn du sie veränderst. Sie zeigt sich in deiner Stimme, auf deinem Gesicht und in den Details der Geschichte, die du erzählst. Denke daran, dass du instinktiv versucht bist die wahre Geschichte zu erzählen. Selbst wenn du zu der besonders gefühlsarmen Sorte Mensch ohne Gewissen gehörst, gibt die Wahrheit Signale an den Zuhörer ab, die du vermeiden willst. Achte darauf, dass du dich nicht darüber freust, wenn du jemandem eine Lüge auftischst, auch wenn alles so aussieht, als ob er dir sofort alles abkauft. Fühle dich dem anderen nicht überlegen, denn das wird er spüren und sich fragen, wieso. Deine Stimme klingt eventuell triumphierend, wenn du den anderen an der Nase herumführst. Es gibt so viele Wege, wie du dich unbewusst verraten kannst. Überlege selbst einmal, was du vermeiden solltest, damit dein Gegenüber nicht misstrauisch wird.

Wenn du die Wahrheit nicht kennst, also erfindest, dann hast du einen Vorteil und einen Nachteil. Der Vorteil ist, dass du keine Rücksicht auf die Wahrheit nehmen musst. Du kannst dein Lügenkonstrukt systematisch aufbauen und ihm eine innere Logik geben, der du dich sonst unterwerfen müsstest. Achte darauf, dass du deine Lüge zwar gut durchdenkst, aber dir Alternativen innerhalb der Geschichte offenlässt. Meistens erzählen Lügner ihre Geschichten detaillierter, als jemand, der nur die Wahrheit wiedergibt, wie er sie erinnert. Ein zu starres Korsett wirkt oft zu perfekt und dein Gegenüber wird sofort misstrauisch. Menschen verwechseln manchmal Details, wenn sie sich erinnern, lassen sie aus, weil sie nicht so wichtig erscheinen. Du kannst mit der erfundenen Wahrheit alle diese Dinge berücksichtigen.

Der Nachteil ist, dass du etwas Künstliches wiedergibst. Soll heißen du erinnerst nicht etwas, sondern du erzählst eine erfundene Geschichte nach. Das führt oft dazu, dass Lügner sich die Geschichte chronologisch merken, denn Lügen sind mitunter lang und es gilt viele Eventualitäten zu berücksichtigen. Wenn du dir etwas chronologisch aneignest, sagen wir wie ein Gedicht, dann kannst du die Geschichte vermutlich perfekt erzählen. Du weißt, an welcher Stelle du Emotionen spielst. Kannst alles an dein Gegenüber anpassen. Aber was passiert, wenn du sie rückwärts erzählen musst, oder von mitten drin starten? Du wirst mehr Zeit brauchen, als jemand der sich einfach nur erinnern musst. Denn du musst zu der Stelle vorspulen, oder zurückspulen. Jemandem, der versiert darin ist Lügner zu erkennen, wird es auffallen. Er sieht die kleinen Pausen, er hört die Zweifel, er erkennt das Konstrukt als solches. Es ist schwer, eine erfundene Geschichte aus allen Blickwinkeln ganz natürlich zu erzählen. Es wäre besser, wenn du Zeit hast, die Lüge vorher zu üben.

Das klingt schon wieder wie ein Haufen Arbeit? Ha, ich habe noch gar nicht angefangen, ins Detail zu gehen. Du wirst Zeit und Mühe investieren müssen, um ein besserer Lügner zu werden. Mehr dazu dann in den nächsten Artikeln. Als Hausaufgabe könntest du dir überlegen, dass du anfängst die Menschen um dich herum genauer zu beobachten. Sprich weniger, höre mehr zu. Dann überlege, wie du vermeiden kannst, dass jemand misstrauisch wird, wenn du ihm ins Gesicht lügst. Viel Erfolg und bis zum nächsten Mal,
Dein Hautloser

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